Schülerinnen und Schüler mit Schwerbehinderung aus Thüringen können sich in verschiedenen Berufsfeldern ausprobieren. Der zeitliche Umfang der Erprobung im Unternehmen hat sich erhöht.
Einerseits suchen Arbeitgeber händeringend nach Berufsnachwuchs. Andererseits haben sie zu viele Vorurteile bei der Ausbildung von Jugendlichen mit Handicap.
Mit einer Maßnahme zur praxisnahen beruflichen Orientierung will das Land Thüringen gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit für schwerbehinderte Schülerinnen und Schüler diesem Trend entgegenwirken. Durch eine frühzeitige und systematische berufliche Orientierung von behinderten Jungen und Mädchen sollen deren individuelle Beschäftigungs- und beruflichen Bildungsfähigkeiten gestärkt werden.
Kompetenzen ermitteln – Praxis gestalten
Junge Menschen mit Schwerbehinderung oder einer Gleichstellung der Klassenstufen 8, 9 und 10 oder den Werkstufen können sich in der Jugendberufsförderung in verschiedenen Berufsfeldern praktisch erproben sowie praktische Erfahrungen in einem Unternehmen sammeln. Vorher werden die Kompetenzen ermittelt. Den Schülerinnen und Schülern stehen für diese Erprobungsphase insgesamt 450 Zeitstunden zur Verfügung, die auf drei Schuljahre verteilt werden. Die Praxiserfahrungen finden jeweils an einem Tag pro Woche statt. Ein solcher Praxistag dauert in der Regel 6 Stunden. Während dieser Zeit werden die Jugendlichen von den Lehrkräften der Schulen und der JBF sozialpädagogisch begleitet. Im Verlauf der Maßnahme haben Unternehmen und Jugendliche die Gelegenheit, sich über einen längeren Zeitraum kennenzulernen. Dadurch können zusätzliche Beschäftigungspotenziale erschlossen und passgenaue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Durch Vernetzung Unternehmen wirksam unterstützen
Eine wichtige Säule bei der Durchführung dieser Berufsorientierungsmaßnahmen sind die im Auftrag des Landes Thüringen und der Bundesagentur für Arbeit tätigen Bildungseinrichtungen. Diese werden bei der Durchführung der betrieblichen Erprobung durch ihre Vernetzung mit Unternehmen und Einrichtungen aus der Region unterstützend wirksam.
Helmut Holter, Minister für Bildung, Jugend und Sport des Freistaates Thüringen erklärt:
„Teilhabe ist ein Menschenrecht, das man nicht nur auf Papier schreibt. Teilhabe muss man aktiv ermöglichen und befördern. Das schaffen wir gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit für junge Thüringerinnen und Thüringer mit Handicap. Berufliche Orientierung, insbesondere von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung, ist ein wesentlicher Schwerpunkt an Thüringer Schulen. Dabei wird Praxiserfahrung immer wichtiger. Seit 2018 fördern wir genau das durch die Thüringer Schulförderrichtlinie. Die Maßnahmen gemeinsam mit der Agentur für Arbeit sind eine weitere wichtige Säule dieser Arbeit. Die Berufswelt für das Thema weiter aufzuschließen, dafür treten wir gemeinsam ein.“
Daniel Terzenbach, der zuständige Vorstand für die Regionen der Bundesagentur für Arbeit (BA), sagt:
„Schule und dann? Diese Frage stellen sich viele Jugendliche, die sich mit dem weiteren Weg nach ihrem Schulabschluss auseinandersetzen – ob mit oder ohne Schwerbehinderung. Die Berufswahl braucht Zeit, muss wohl überlegt sein und zu den eigenen Stärken und Interessen passen. Wenn sich Jugendliche frühzeitig in verschiedenen Berufsfeldern praxisnah ausprobieren können, dann stärkt es die richtige Berufswahl. Und damit eine Entscheidung, die den gesamten weiteren Lebensweg prägt. Die Berufsorientierungsmaßnahme des Landes Thüringen und der BA setzt genau hier an. Sie richtet sich an schwerbehinderte junge Menschen, ist praxisorientiert und stärkt die berufliche Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Damit können sich die schwerbehinderten Jugendlichen auch in Berufsfeldern ausprobieren, die sie zunächst vielleicht nicht auf dem Schirm hatten. Meine feste Überzeugung ist: Inklusion kann man nur voranbringen, wenn alle mitmachen. Es ist auch hier die gemeinsame Aufgabe aller Akteure, Jugendliche mit Unterstützungsbedarf ganzheitlich bis zum Beginn einer Ausbildung oder eines Studiums zu begleiten.“
Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen der BA, Markus Behrens, betont:
„Eine individuelle Berufsorientierung ist der beste Weg in einen passenden Beruf. So lernen die Jugendlichen mit Handicap ihre Wünsche und Stärken kennen. Sie können dadurch Alternativen abwägen und erste Entscheidungen im Hinblick auf ihr Berufsleben treffen. Aber auch für Arbeitgeber ist diese besondere Form der Berufsorientierung interessant. Damit sichern sie sich ihren Berufsnachwuchs und schaffen passgenaue Arbeitsplätze. Uns ist wichtig, dass noch mehr Unternehmen erkennen, welche Chancen sich aus der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ergeben.“
Axel Stellmacher, der Geschäftsführer der Jugendberufsförderung ERFURT gGmbH resümiert:
„Unser Leitspruch bei der wohnortnahen beruflichen Rehabilitation lautet seit über 30 Jahren ‚So normal wie möglich – so speziell wie erforderlich‘ und damit leisten wir erfolgreich gezielte Starthilfe ins Berufsleben.“
Die Maßnahmen werden gefördert durch den Freistaat Thüringen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) sowie durch die Bundesagentur für Arbeit.